Mit Wärmebildtechnik können Forscher unter die Oberfläche von Schmetterlingsflügeln sehen


Bildmaterial: Nanfang Yu und Cheng-Chia Tsai

Es zeigt sich, dass Schmetterlinge auf dem Wärmebild genauso beeindruckend wie im sichtbaren Lichtspektrum sind. Forscher von Columbia Engineering und der Harvard University eine Studie in Nature veröffentlicht, die die thermodynamischen Eigenschaften von Schmetterlingsflügeln und die Bedeutung der Strahlungskühlung für die Flugfähigkeit dieser zarten Gebilde untersucht. Nanfang Yu, außerordentlicher Professor für angewandte Physik an der Columbia, beschreibt, welche Rolle die Wärmebildtechnik bei dieser Studie gespielt hat.

„Das ist der beste Weg, um Temperaturen auf nicht invasive Weise zu messen“, erklärt Yu. In der Studie hat das Team die komplexen lebenden Strukturen in Schmetterlingsflügeln untersucht, die die Wärmeregulierung unterstützen. Mit einer Wärmebildkamera wie einer FLIR T865, „fängt man an, tatsächlich das Skelett des Schmetterlings zu sehen“, sagt Yu. „Das ist wie Röntgen – man sieht das Gerüst, die Adern in den Flügeln, die Membran … den gesamten Querschnitt des Flügelmaterials.“ Auf einer Wärmebildaufnahme verschwinden die hellen Farben und Muster eines Schmetterlingsflügels und man sieht stattdessen die darunterliegende Struktur des Flügels.

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Schmetterlinge aus der Familie der Pieridae auf einer Wärmebildaufnahme. Bildmaterial: Nanfang Yu und Cheng-Chia Tsai

Frühere Studien über Schmetterlingsflügel waren durch die verwendeten Geräte wie Thermoelemente für die Temperaturmessung eingeschränkt. Auch die kleinsten Sensoren sind groß im Vergleich mit der Dicke eines Schmetterlingsflügels und durch das Messen kann die lokale Temperatur beeinflusst werden. Da die Messungen nur punktweise erfolgen können, treten weitere Ungenauigkeiten auf. Mit der Wärmebildtechnik „kann man die gesamte Temperaturverteilung messen und kartieren“, sagt Yu. Sein Team konnte die Temperaturdifferenz zwischen Flügeladern, Membran und anderen Strukturen wie Geruchsflächen sehen und messen. Sie stellten fest, dass die Bereiche der Schmetterlingsflügel, die lebende Zellen enthalten (Flügeladern) einen höheren Emissionsgrad als die „leblosen“ Bereiche des Flügels (Membran) aufweisen.

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Lebende Flügelstrukturen (Adern, Geruchsflächen) weisen einen höheren Emissionsgrad auf und erleichtern dadurch die Wärmeableitung durch Abstrahlung. Bildmaterial: Nanfang Yu und Cheng-Chia Tsai

„Diese Bildgebungstechnik ermöglicht uns die Untersuchung physischer Anpassungen, die das sichtbare Aussehen des Flügels von seinen thermodynamischen Eigenschaften trennen“, sagt Yu in einem Artikel von Columbia Engineering. „Wir haben entdeckt, dass unterschiedliche Schuppennanostrukturen und nicht einheitliche Kutikel-Dicken eine heterogene Verteilung von Strahlungsabkühlung – Wärmeableitung durch Abstrahlung – erzeugen, die selektiv die Temperatur lebender Strukturen wie Flügeladern und Geruchsflächen verringern.“

Die Temperaturmessung von Schmetterlingsflügeln mit der Wärmebildtechnik ist nicht ganz ohne Probleme. „Das Problem besteht hier darin, dass bei einem Schmetterlingsflügel die Wärmebildkamera zwar eine Temperatur anzeigt, man dieser Temperaturanzeige aber nicht trauen kann“, sagt Yu. „Der Schmetterlingsflügel ist im Infrarotbereich halbtransparent, wenn man ihn also mit einer Wärmebildkamera betrachtet, erhält man nicht nur die Wärmestrahlung des Flügels selbst, sondern auch die vom Hintergrund hinter dem Flügel erzeugte Wärmestrahlung.“ Ein ähnliches Phänomen lässt sich mit einer dünnen Plastikfolie beobachten, zum Beispiel einer Einkaufstüte, die wie ein Schmetterlingsflügel im sichtbaren Lichtspektrum undurchsichtig, aber im Infrarotspektrum transparent ist.

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Sehr dünne Materialien wie eine Plastiktüte oder ein Schmetterlingsflügel können im Infrarotspektrum transparent sein. Um die echte Temperatur eines Schmetterlingsflügels zu erhalten, musste das Team von Yu den Emissionsgrad und den Reflexionsgrad des Flügels quantifizieren und die Temperaturquellen im Hintergrund aus ihren Messungen ausfiltern.

Zusätzlich zur Kartierung der Wärmeverteilung von Schmetterlingsflügeln führten die Forscher auch Verhaltensstudien durch, die sie mit der Wärmebildtechnik beobachteten. Mit einem kleinen Licht als Wärmequelle wiesen sie nach, dass Schmetterlinge mit ihren Flügeln die Richtung und Stärke des Sonnenlichts erfühlen. Bei einer Grenztemperatur von etwa 40 °C veränderten alle Arten, die sie untersuchten, innerhalb weniger Sekunden ihr Verhalten, um das Licht zu meiden und ihre Flügel gegen Überhitzung zu schützen.

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Schmetterlingsflügel verfügen über mechanische Sensoren, die die Richtung und Stärke von Licht erkennen. Hier bewegt sich der Schmetterling schnell, um seine Flügel vor Überhitzung zu schützen. Bildmaterial: Nanfang Yu und Cheng-Chia Tsai

Das war nicht das erste Mal, dass Yu Insekten mit einer Wärmebildkamera untersucht hat. „Als ich 2013 nach Columbia kam, war die FLIR-Kamera eines der ersten Geräte, das ich gekauft habe, als ich mein Labor einrichtete“, sagt Yu. Obwohl er sich bei seiner Forschung hauptsächlich auf die Nanophotonik konzentriert, interessiert sich Yu ganz besonders für die Schnittstelle zwischen Biologie, Photonik und Physik. Seine Forschungskollegen in der Biologie „kommen oft mit Fragen zur Lebensgeschichte von Tieren, die sie untersuchen … Es interessiert mich sehr, diese Rätsel aus Sicht der Physik und der Photonik zu lösen.“

Bei einer früheren Zusammenarbeit mit einem Kollegen aus der Nanobiologie untersuchte Yu Silberameisen aus der Sahara, die sich während der Tageshitze an einem der heißesten Orte der Erde eingraben. In dieser Studie, die 2015 in Science veröffentlicht wurde, nutzten die Forscher auch eine FLIR-Kamera für die Überwachung der Körpertemperatur der Ameisen. Sie fragten sich, wie diese kleinen Insekten unter derart rauen Bedingungen überleben konnten. „Das Spannende ist hier, zu verstehen, wie kleine und leichte Insekten – winzige Ameisen oder die dünnen Flügel von Schmetterlingen – sich thermodynamisch verhalten, denn sie sind dafür eigentlich sehr schlecht geeignet“, erklärt Yu. Durch ihre geringe Wärmekapazität können sich kleine Tiere wie Insekten innerhalb weniger Sekunden auf extreme Temperaturen aufheizen.

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Infrarot-Bildaufnahme von Schmetterlingen aus der Familie der Lycaenidae. Die Bildintensität ist proportional zum Emissionsgrad – der Fähigkeit der Wärmeableitung durch Abstrahlung. Das Bild zeigt, dass die lebenden Teile des Flügels einen erhöhten Emissionsgrad aufweisen. Bildmaterial: Nanfang Yu und Cheng-Chia Tsai

Silberameisen nutzen sehr feine Härchen, die ihren Körper bedecken, um in extremer Hitze zu überleben. Diese Härchen haben zwei Funktionen: Sie strahlen das Licht im sichtbaren und infraroten Wellenlängenbereich zurück und verringern so die Absorption der Sonnenenergie, und sie erhöhen den Emissionsgrad, sodass die Ameise, wenn ihr Körper sich aufheizt, die Hitze durch Abstrahlung besser verteilen kann.

„Wir wollten herausfinden, wie kleine Tiere in extremer Hitze überleben können“, sagt Yu. Mit seiner neuesten Studie erforscht er weiter, wie kleine Insekten es schaffen, ihren Körper abzukühlen. Schmetterlingsflügel sind mit mechanischen Sensoren für die Erkennung von Überhitzung bedeckt und ihre Flügelschuppen enthalten Nanostrukturen, die die Strahlungskühlung erleichtern. Neben dem biologischen Interesse dieser Feststellungen glaubt Yu, dass sie auch die Entwicklung hitzebeständiger Nanostrukturen und wärmeempfindlicher Fluggeräte beeinflussen können.

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Die Wärmebildtechnik hilft dabei, festzustellen, wie Schmetterlinge wie dieser Ahornzipfelfalter sich gegen Überhitzung schützen. Die Membran zwischen den Flügeladern ist tatsächlich heißer als der Rest des Flügels, sieht aber kühler aus, weil sie halbtransparent und vor einem kühlen Hintergrund dargestellt ist. Bildmaterial: Nanfang Yu und Cheng-Chia Tsai

Yu und seine Kollegin Naomi E. Pierce, Hessel Professorin für Biologie, wollen ihre Forschung über Schmetterlingsflügel fortsetzen. Pierce ist Kuratorin für Lepidoptera am Museum für vergleichende Zoologie in Harvard und hat Zugang zu einer großen Sammlung von Schmetterlingen und Faltern. Derzeit führen sie eine umfangreiche Untersuchung der Sammlung mit Hilfe einer Wärmebildkamera durch und hoffen, mehr darüber zu erfahren, was den Aufbau eines Schmetterlingsflügels bedingt. Yu vergleicht die Arbeit mit der „Entzifferung eines komplexen Buches“ wegen der vielen unterschiedlichen Elemente, die in der Evolution des Schmetterlingsflügels eine Rolle gespielt haben. Dies ist ganz sicher ein Buch, das man genau lesen sollte, um zu sehen, was wir noch alles entdecken können.

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