Leitfaden zur Integration von Platinenkameras

Einführung

Die Verfügbarkeit von kompakten und leistungsfähigen Einplatinencomputern ermöglicht spannende neue Produktdesigns. Dies ist besonders bei Anwendungen nützlich, wo die Miniaturisierung die Kosten und/oder Leistung verbessert. Zusätzlich können Vision-Systeme voll ausgestatteten industriellen Platinenkameras dabei helfen, die Gesamtgröße eines Produkts weiter zu reduzieren und flexible Einsatzmöglichkeiten bieten, während sie kundenspezifisch angepasste Objektive unterstützen. Zu gängigen Beispielen gehören medizinische Diagnose, Meteorologie, Robotik, Embedded-Vision, Verpackungs- und Druckprüfung, tragbare Scanner, Prüfstandlabore und andere Systeme mit eingeschränktem Platzangebot.

In diesem Artikel behandeln wir mehrere wichtige Aspekte, die es bei der Auswahl einer Embedded-Vision-Kamera zu berücksichtigen gilt. Dazu gehören Funktionsumfang, Formfaktor und Stellfläche, Schnittstellenoptionen, Objektivhalterung, Softwareunterstützung, Wärmemanagement und elektromagnetische Verträglichkeit.

Formfaktor und Funktionsumfang

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Bei der Umstellung von Gehäuse- auf Platinenkameras müssen Systemdesigner ihre Anforderungen an die Bildaufnahme und Kameraleistung sorgfältig berücksichtigen. Viele kleine Platinenkameras unterstützen nur Sensoren mit niedriger Auflösung. Sie bieten nur wenige GPIO-Leitungen und eingeschränkte Kamerafunktionen. Andererseits sind die Platinenversionen vieler vollwertiger Bildverarbeitungskameras einfach nur Standardkameras, deren Gehäuse entfernt wurde. Diese Kameras erreichen zwar die geforderte Bildqualität, sind aber nicht wesentlich kleiner als Modelle mit Standardgehäuse. Solche Kameras verwenden häufig gewöhnliche GPIO- und Schnittstellenanschlüsse, die klobig und für Embedded-Anwendungen nicht ideal sind. Beispielsweise entsprechen typische, verriegelnde Industrieverbindungen der Größe einer Platinenkamera der Serie Blackfly S.

Die Platinenkameras der Serie Blackfly S von FLIR  wurden von Grund auf für eingebettete Systeme entwickelt. Sie bieten die gleiche Bildqualität und den gleichen reichhaltigen Funktionsumfang wie die Blackfly S Modelle mit Gehäuse, jedoch mit dem bemerkenswert kompakten Formfaktor von 29 mm x 29 mm x 10 mm. Zudem bieten kompakte GPIO- und Schnittstellenanschlüsse zusätzliche Platzeinsparungen. Ein weiterer wichtiger Vorteil der Embedded-Vision-Kameraserie von FLIR ist die Verfügbarkeit desselben Formfaktors für alle Kameras mit Sensoren von 1/3” bis 1,1” – ein einheitlicher Formfaktor bei mehreren Kameramodellen macht es extrem einfach, Systeme und künftige Produktvarianten zu entwickeln und zu aktualisieren.

Objektivhalterung

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Platinenkameras sind eine attraktive Option für Kunden, die spezielle Optiken integrieren oder den Bildsensor so nah wie möglich am Zielobjekt platzieren möchten. Da es keinen festen Objektivanschluss gibt, bieten Platinenkameras Entwicklern die Freiheit, andere Optiken als die in der industriellen Bildverarbeitung üblichen C-, CS- oder S-Mount-Objektive auszuwählen. Dieses Design ist auch ideal für Anwendungen in der Biotechnologie und der Vermessung von Laserstrahlen, bei denen häufig überhaupt keine Linse verwendet wird. Eine weitere gängige Anwendung einer Platinenkamera ist die Möglichkeit, eine Objektivhalterung in ein anderes Produktteil zu integrieren – daher stammt der Name "Embedded-Vision-Kamera". Zudem kann das Vergießen einer Objektivhalterung in ein Produktgehäuse die Kosten weiter senken, da Fertigung und Montage vereinfacht werden. Um Platinenkameras ohne Objektivhalter zu evaluieren, sollte eine Zubehörhalterung gekauft werden. Falls es Gehäusemodelle mit identischen Sensoren und Merkmalen im Vergleich zu den Platinenmodellen gibt, können diese als Entwicklungsplattform genutzt werden.

In Bezug auf die Auswahl der richtigen Objektivhalterung für eine Platinenkamera stellt die Größe des verwendeten Sensors einer der wichtigsten Faktoren dar. Im Allgemeinen sollten S-Mount Objektivhalterungen für Sensoren mit 1/3" oder kleiner mit niedrigerer Auflösung, meist weniger als 2 MP, verwendet werden. CS-Mount Objektivhalterungen funktionieren jedoch mit Sensoren zwischen 1/3” bis 1/2”. Wenn die Sensorgröße mindestens 1/2” beträgt, verwendet man am Besten eine C-Mount Objektivhalterung.

Wärmemanagement

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In Gehäuse verbaute Bildverarbeitungskameras nutzen die Oberfläche des Gehäuses, um die vom Sensor, vom FPGA und von anderen Komponenten erzeugte Wärme abzuleiten. Für Hochleistungskameras auf Platinenebene, die über kein Gehäuse verfügen, gibt es zusätzliche Designanforderungen, damit sichergestellt ist, dass die Kameras innerhalb ihres empfohlenen Temperaturbereichs arbeiten. Entscheidend ist hier ein ausreichender Kühlkörper. Die Hersteller geben in der Regel eine maximale Oberflächentemperatur für diese Komponente mit der höchsten Temperatur an. Für Kameras der Reihe FLIR Blackfly S wird die maximale Oberflächentemperatur des FPGA bei 105 Grad Celsius (221 Grad Fahrenheit) angegeben.

Systemdesigner müssen sicherstellen, dass ihre Wärmemanagementlösung diese Richtlinie einhält. Die Größe des Kühlkörpers, die Oberfläche des Gehäuses, auf dem die Kamera montiert ist, und die Art des benötigten aktiven Kühlers hängen vom Sensor, der Bildrate, den Umgebungsbedinungen des Betriebs und dem Umfang der auf der Kamera durchgeführten Bildverarbeitung ab. Für die Anbringung des Kühlkörpers an der Kamera empfehlen wir die Verwendung von Wärmeleitpaste gegenüber Wärmeleitpads, um die Platinenbelastung der Kamera zu minimieren.

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Gehäuseausführung und schnelle Prototypenentwicklung

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In den meisten Fällen werden Platinenkameras direkt in ein Embedded-Vision-System/Produkt integriert, so dass kein Gehäuse notwendig ist. Bei Anwendungen, in denen die Kamera nicht in ein Produkt integriert wird und das Innenleben der Kamera daher den Elementen ausgesetzt wird, kann ein Gehäuse notwendig sein, um Schaden zu verhindern. Für schnelle Prototypenentwicklung können Konstrukteure von eingebetteten System einfach ein Gehäuse für die Kamera entwerfen und mit einem 3D-Drucker produzieren, oder gewöhnliche Plastikgehäuse verwenden, welche die Kamera umgeben, und die Kamera mit Distanz- und Montagehalterungen befestigen.

Schnittstellen und Anschlüsse

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USB 3.1 Gen 1 ist eine ideale Schnittstelle für eingebettete Systeme. Ihre universelle Verfügbarkeit garantiert die Unterstützung einer Vielzahl von Hardware, von Desktop-PCs bis hin zu ARM-basierten Single-Board-Computern (SBCs). Direct Memory Access (DMA) hält die Latenzzeit auf einem Minimum, ohne dass Filtertreiber benötigt werden. USB 3.1 Gen 1 bietet zudem eine Stromversorgung sowie einen Datendurchsatz von bis zu 480 MB/Sek. über ein einzelnes Kabel, was sowohl das mechanische als auch das elektrische Design vereinfacht.

Ein Hauptziel von Konstrukteuren von eingebetteten Systemen besteht oft darin, bestehende Ausführungen zu minimalisieren. In diesen Fällen ist die maximale Kabellänge weit weniger wichtig als das Volumen der Kabel und Stecker. FPC-Kabel (Flexible Printed Circuit) können USB 3.1 Gen 1 über Kabellängen von bis zu 30 m unterstützen. Wie der Name vermuten lässt, sind FPC-Kabel flexibel und können gebogen und verdreht werden, um in eng gepackte Systeme zu passen. Hochwertige, verriegelbare Steckverbinder und abgeschirmte FPC-Kabel mit Verriegelungslaschen können zudem für eine hochsichere und zuverlässige Verbindung sorgen.

Ein potentieller Nachteil von USB 3.1-Schnittstellen ist jedoch das Hochfrequenzsignal, welches Interferenzen bei drahtlosen Geräten bis zu 5 GHz auslösen kann (z. B. bei einem GPS-Signal). Für Anwendungen, die derartige drahtlosen Frequenzen verwenden, bieten wir auch FLIR Platinenkameras mit GigE-Schnittstellen an.

MIPI CSI ist eine weitere gängige Schnittstelle auf vielen Embedded-Boards. Die Komplexität des MIPI-Protokolls und der Treiber kann die Entwicklung im Vergleich zu USB jedoch zeitaufwändiger machen. LVDS-basierte Schnittstellen (Low-Voltage Differential Signalling) sind ebenfalls verfügbar und für den Anschluss an einen hostseitigen FPGA vorgesehen. Jeder Signalübertragungskanal benötigt jedoch zwei Kabel – ein kleiner, aber wichtiger Nachteil bei bestimmten Anwendungen.

Software-Unterstützung

Bei der Auswahl einer Kamera für den Einsatz in einem eingebetteten System ist die Softwareunterstützung ein wichtiger Aspekt, der nicht übersehen werden sollte. Ein SDK, das sowohl Desktop-Systeme als auch eingebettete Systeme unterstützt, gibt Entwicklern die Freiheit, ihre Bildverarbeitungsanwendungen mit vertrauten Tools zu entwickeln und sie anschließend einfach auf der Embedded-Plattform ihrer Wahl zu implementieren. Das Spinnaker SDK von FLIR bietet Unterstützung für Desktop-Windows und Linux auf x86-, x64- und ARM-basierten Systemen.

Elektromagnetische Verträglichkeit

Da keine Abschirmung durch ein Gehäuse vorhanden ist, unterscheidet sich die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) der Platinenkameras von den Modellen mit Gehäuse. Im Gehäuse verbaute industrielle Kameras von FLIR sind EMV-zertifiziert. Platinenkameras sind das jedoch nicht. Da diese Platinenkameras in andere Produkte/Systeme eingebettet sind, muss das Endprodukt separat zertifiziert werden. Ungeachtet der Anwendung ist es immer ratsam, wie bei allen anderen elektrischen Komponenten die Best Practice Tipps für das Management elektromagnetischer Interferenzen (EMI) zu befolgen.

Fazit

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Platinenkameras revolutionieren Embedded-Vision-Systeme, welche die Freiheit und Flexibilität bieten, innovative Produkte zu entwerfen, die kompakt und vielseitig sind. Zusätzlich zu den in diesem Artikel behandelten Faktoren, ist es zudem wichtig, die Zukunftsfähigkeit Ihres eingebetteten Systems mit qualitativ hochwertigen Sensoren, Objektiven und zuverlässigen Komponenten zu berücksichtigen. Die gesamte Serie an Platinenkameras von FLIR wurde von Grund auf mit derartigen Anwendungen im Hinterkopf entworfen und beinhaltet eine branchenführende 3-Jahres-Garantie. Unsere Machine Vision-Experten können Ihnen dabei helfen, die richtige Stufe von Bildqualität und Formfaktor auszuwählen, die für Ihr eingebettetes System optimiert ist – Weitere Informationen.

 

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