Entwicklung eines 3D-Wärmebildkamerasystems für Analysen aus der Luft

Schräge Luftbildkamerasysteme, die hochauflösende dreidimensionale Bilder aufnehmen, werden häufig zur Kartierung von Stadtgebieten und zur Gewinnung geografischer Daten aus der Luft eingesetzt. Bis zum Jahre 2017 war keines dieser Systeme in der Lage, 3D-Wärmebilder aufzunehmen. Aus diesem Grund hat ein Team der Hochschule Anhalt in Dessau, Deutschland, ein Wärmebild-/RGB-System entwickelt, das 3D-Bilder durch Überlagerung der Aufnahmen von vier digitalen und vier FLIR-A65sc-Kameras mit 25°-Sichtfeldern erzeugt.

Das Institut für Geoinformation und Vermessung

Die Hochschule Anhalt in Dessau bietet seit 1992 Kurse im Bereich Vermessung und seit 2002 im Bereich Geoinformatik an. Die ehemalige Vermessungsabteilung wurde in das Institut für Geoinformation und Vermessung umgewandelt. Als Institut der Fakultät für Architektur, Facility Management und Geoinformation bündelt sie die akademischen und wissenschaftlichen Kompetenzen der Fachbereiche Vermessung und Geoinformatik. Neben dem Lehrbetrieb konzentriert sich das Institut auf die angewandte Forschung.

Die Idee und ihre Anwendungsbereiche

Eines der Projekte des Instituts bestand in der Entwicklung eines neuen Wärmebild- und RGB-Kamerasystems, das 3D-Bilder durch Überlagerung der Bilder eines Tragschraubers mit acht Kameras erzeugt. Professor Lutz Bannehr, der die Abteilungen Geodatenerfassung und Sensorik des Instituts leitet, hatte die Idee im April 2016. Während 3D-Kamerasysteme (sogenannte RGB-Schrägkamerasysteme) mit sehr hohen Auflösungen zur Verfügung standen, konnte keines dieser Systeme die Vorteile von Wärmebilddaten bereitstellen. Professor Bannehr sammelte Erfahrungen mit Wärmebildkameras, nachdem er 2001 eine gekühlte Infrarotkamera FLIR SC3000 gekauft und an einer Thermografie-Schulung teilgenommen hatte. Er war sich sicher, dass eine Lösung mit ungekühlten Wärmebildkameras möglich sein würde. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: Erfassung von Bestandsdaten, Überwachung, Volumenüberwachung im Tagebau, Waldbrandüberwachung, Isolationsanalyse, Ertragsschätzungen für Photovoltaik- und Solarheizungsanlagen, Umweltüberwachung, geologische und topografische Bildgebung und sogar die Erstellung digitaler Stadtmodelle.

Das Projekt

Professor Bannehr reichte den Forschungsantrag ein und stellte ein kleines Entwicklungsteam mit seinem Doktoranden Christoph Ulrich, Hermann Kaubitzsch von der bgk infrarotservice GmbH (Riesa) – eine FLIR-Integrationsfirma – und Henrik Pohl vom Tragschrauberhersteller Airborne Technical Systems (Berlin) zusammen. Selbst bei Überlappungen von 85 % in Länge und Breite konnten herkömmliche hochauflösende Kameras nicht jedes Detail der Gebäudeseiten abbilden. Das Team konzipierte daher ein System aus vier RGB-Kameras und vier Wärmebildkameras, die so angeordnet sind, dass sich ihre Bilder zu 3D-Wärmebildern und 3D-Geodaten überlagern, die dann mit einer Standardsoftware analysiert und ausgewertet werden können.

Die Kameras

Für die Realisierung des Systems wählte das Team vier A65sc FLIR-Wärmebildkameras sowie vier kompakte RGB-Kameras eines anderen Herstellers, die Bilder mit ca. 5 Megapixeln erzeugen. Kaubitzsch empfahl dem Team den Einsatz der Wärmebildkamera FLIR A65sc „aufgrund ihrer guten Wärmebildauflösung von 640 × 512 Pixeln, ihrer Bildrate von 30 Hz, ihrer Ethernet-Schnittstelle und ihrer extrem kompakten Abmessung von 106 × 40 × 43 mm.“ Hermann Kaubitzsch war auch für die Synchronisation und Auswertung der Kameras verantwortlich, was sich als keine leichte Aufgabe herausstellte.

AOS-TX8 Steuerungen und Spezifikationen

Ein Team von Studenten entwickelte eine 3D-Anordnung für die acht Kameras, die möglichst wenig Platz im Ultraleicht-Luftfahrzeug beanspruchen sollte. Für die Montage des Systems im Tragschrauber wurde sogar eine offene, maßgefertigte Grundplatte angefertigt. Auch ein Name für das „Schrägluftbildsystem“ war schnell gefunden: AOS-Tx8. Das System wird über Ethernet gesteuert und die Bilddaten werden auf einem 10-Zoll-Bildschirm angezeigt. „Vor einigen Jahren haben wir mit einer anderen Wärmebildkamera experimentiert, aber die Steuerung über Ethernet funktionierte nicht wie versprochen“, erklärt Professor Bannehr. „Mit den FLIR-A65sc-Modellen war das kein Problem.“ Das gesamte AOS-Tx8 System wiegt nur 11,6 kg und misst lediglich 330 × 400 × 320 mm. Es bietet Anschlüsse für die manuelle Kamerabedienung und das Flugmanagementsystem sowie Maus, Bildschirm, Tastatur (alle über USB) und Stromversorgung.

Synchronisation der Wärmebildkameras

Die Überlappung zwischen den FLIR-Kameras beträgt 12 % oder 3°. Die vier FLIR-Wärmebildkameras mussten synchronisiert werden, um brauchbare Daten zu erhalten und Temperaturschwankungen in den Messwerten, bei denen sich die Bilder überlappen, zu vermeiden. Ungekühlte Wärmebildkameras haben aus technologischen Gründen eine Abweichung von bis zu ±5 % bei der Temperaturmessung. Ein Test aller vier Kameras mit einem Referenzscheinwerfer zeigte, dass die vorhergesagten Abweichungen zwar vorhanden, jedoch linear über das Spektrum verteilt waren. So war es möglich, eine der Kameras als Referenzkamera  zu verwenden (idealerweise die mit dem Mittelwert) und anschließend die anderen Kameras an die Referenzkamera anzupassen.

Jungfernflug

Am 15. August 2017 war es dann soweit. Das System sollte getestet werden. Das AOS-Tx8 wurde im Tragschrauber montiert und war bereit, zum ersten Mal Messungen aus der Luft durchzuführen. Der Ablauf war bereits klar definiert. Das Team setzte Flugplanungsprogramme ein, um den Jungfernflug zu planen und verwendete Google Earth für die Kartendaten. Die Flugplanungsdaten einschließlich der Aufnahmeorte für Bilder wurden in das Flugmanagementsystem übernommen. 

Während des Fluges wurden diese Daten verwendet, um das AOS-Tx8 System und andere Sensoren zu aktivieren. Nach Testflügen über den Campus Strenzfeld der Hochschule Anhalt wurden im August auch Flüge über Magdeburg durchgeführt. Dabei wurden nicht nur Bilder aus einem vertikalen Winkel aufgenommen (sog. IR-Orthographie-Bilder), sondern auch großflächige 3D-Wärmebilder erstellt, welche die Wirksamkeit der Gebäudedämmung aufzeigten.

Durch das Schrägluftbildsystem (AOS-TX8) erzielte Ergebnisse

Durch den Einsatz des AOS-Tx8 ist es erstmals möglich, ein digitales Flächenmodell mit genauer Bestimmung der Gebäudehöhen sowie ein digitales Geländemodell in RGB und Infrarot zu erhalten. Das AOS-Tx8 ist einfach zu bedienen und die Daten können mit Standard-Softwareprodukten wie Photoscan oder Pix4D ausgewertet werden.

Aussichten

Das Institut verfügt nun über eine FLIR A655sc für die Luftdatenerfassung, die keine 3D-Bildgebung erfordert. Wir freuen uns daher auf das nächste Infrarot-Forschungsprojekt von Professor Bannehr und seinem innovativen Team am Institut für Geoinformation und Vermessung der Hochschule Anhalt in Dessau.

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